Bei typischen Prozessen der Industrie fällt Abwärme mit einem ausreichend hohen Temperaturniveau zur Weiternutzung an.Im Forschungs- und Entwicklungsprojekt Food Pinch entwickeln wir innovative Verfahren, um in Industriebetrieben den Energieverbrauch von Wärme- und Kälteversorgungsanlagen deutlich zu senken und Einsparpotenziale heben. Das erhöht die Wettbewerbsfähigkeit und schont zugleich das Klima.
Deutschland befindet sich in der Energieknappheit, die Gaspreise sind auf einem Rekordhoch. Der fortschreitende Klimawandel und der Krieg in der Ukraine machen es deutlich: Wir müssen unabhängiger von Energieimporten werden und gleichzeitig die Energieeffizienzpotenziale ausreizen.
Die deutschen Gasspeicher sind aufgrund der höheren Preise bereits im letzten Sommer nicht ausreichend gefüllt worden. Ergebnis ist nun, dass von den Gasversorgern nur noch gekauft wird, was unbedingt nötig ist. Und das zu hohen Preisen. Diese hohen Preise können dazu führen, dass Unternehmen ihre Produktionsmengen reduzieren müssen, um wirtschaftlich zu handeln.
Doch jede Krise birgt auch Potenziale. In der Industrie sind jetzt Ingenieurinnen und Ingenieure gefragt, Prozesse effizienter zu gestalten, Energie einzusparen oder Alternativen zu finden. Unserem ÖKOTEC-Experten und Projektleiter von Food Pinch, Knut Grabowski, ist Energieeffizienz auch ohne steigende Preise ein besonderes Anliegen. Denn die beste Energie ist die, die gar nicht erst verbraucht wird. Und so entwickelte er bereits 2016 die Idee, in der Lebensmittelindustrie weitere Energiespar-Potenziale durch die Weiterentwicklung der Pinch-Analyse mit gezielter Nutzung von Abwärme und „Abkälte“ zu heben.
Abkälte nutzen wir in diesem Artikel als Pendant zur Abwärme. Abkälte kommt durch Außenluftströme im Winter und Kaltwasserströme ins Werk.
Vorhandene Energieströme optimal im Produktionsprozess einsetzen
Bei typischen Prozessen der Lebensmittelindustrie wie Kochen, Pasteurisieren, Backen, Kühlen und Frosten fällt Abwärme mit einem ausreichend hohen Temperaturniveau zur Weiternutzung an. Abkälte kommt durch Außenluftströme im Winter und Kaltwasserströme ins Werk. Doch aufgrund der sich ständig ändernden Temperaturniveaus ist eine feste Verknüpfung der einzelnen Prozesse nicht zielführend. Vielmehr muss permanent geschaut werden, an welcher Stelle des Prozesses gerade Abwärme und Abkälte mit welcher Temperatur anfallen. Gleichzeitig muss ermittelt werden, wo diese Energieströme am sinnvollsten im Produktionsprozess eingesetzt werden können. Und das wird im Projekt Food Pinch von ÖKOTEC-Expertinnen und Experten und Forschende des Lehrstuhls für Technische Thermodynamik (LTT) der RWTH Aachen seit Anfang März 2021 unter der Leitung von Knut Grabowski erforscht.
Intelligente Steuerung mit Software EnEffCo®
Diese permanenten Berechnungen und die Steuerung der Wärmeströme kann jedoch nicht von Hand geschehen. Daher wird die von ÖKOTEC entwickelte intelligente Software EnEffCo® bei den Anwendungspartnern von Food Pinch, Nestlé Wagner, Nestlé Maggi und Stockmeyer, eingesetzt und weiterentwickelt. Die Westfälische Fleischwarenfabrik Stockmeyer ist bereits langjähriger Nutzer der EnEffCo®-Software, um den Energieverbrauch in der Produktion zu kontrollieren und Einsparerfolge sichtbar zu machen. Mit der Beteiligung an Food Pinch gehen Sie mit uns einen Schritt weiter. Über die dynamische Pinch-Analyse wird die thermische Vernetzung der Prozesse jederzeit an wechselnde Wärmebedarfe und Temperaturniveaus angepasst. Die Kosten für die Wärme- und Kälteversorgung können somit zu jedem Zeitpunkt minimiert werden. Nur so kann den diskontinuierlichen Wärmeströmen Rechnung getragen werden.
Monitoring von Abwärme-Systemen als Grundlage für mehr Energieeffizienz
Eine wichtige Grundlage hierfür ist das Monitoring von komplexen Abwärmesystemen. Dies konnten wir bereits in ersten Projekten erfolgreich erproben, wie das folgende Beispiel zeigt:
In einem Werk eines Kunden wird die Abwärme von verschiedenen Druckluftstationen und einer Kälteversorgung für die Wärmeversorgung von Lüftungsanlagen genutzt (siehe Abbildung). Hier ist die Höhe der möglichen Abwärmenutzung unter anderem abhängig von der benötigten Druckluft auf verschiedenen Druckniveaus, der Kälteleistung, dem Wärmebedarf und weiteren Einflussgrößen wie beispielsweise Temperaturniveaus.
Hohe Kosten durch unbemerkten Regelungsfehler
Über unser im Juni eingesetztes Monitoring-System konnten wir rückwirkend zeigen, dass im ersten Halbjahr 2021 über 40.000 € an Wärmekosten durch einen Monitoring-Report hätten vermieden werden können. Das zeigt auch der folgende Zeitverlauf des Monitorings der Ist- und Sollabwärme:
Die erhöhten Wärmekosten sind angefallen, da die Regelungseinstellung der Heizwassertemperatur Ende 2020 geändert wurden. Diese Änderung war nur für eine bestimmte Situation erforderlich und wurde dann nicht wieder rückgängig gemacht.
Bisher existierten für solche komplexen Systeme keine Sollgrößen und damit auch keine Möglichkeit, um einerseits solche Fehlfunktionen aufzudecken und andererseits dynamische Regelungssysteme zum Einsatz zu bringen.
Aufgrund der aktuell hohen Gaspreise und des Ziels der Klimaneutralität wird Wärme- und Kälterückgewinnung in der Lebensmittelindustrie immer wichtiger und damit aus unserer Sicht auch der Bedarf an den dargestellten Monitoring- und Regelungstools wachsen.
Food Pinch ist ein vom Bundeswirtschaftsministerium gefördertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit einer Laufzeit von vier Jahren. Der Projektträger ist das PtJ. Förderkennzeichen: 03EN2031A
Unser Forschungsvorhaben Food Pinch – Energieeinsparung mit softwarebasierter Pinch-Regelung – wurde auf dem Kongress „Energieeffizienzforschung für Industrie und Gewerbe“ in einer Poster-Ausstellung präsentiert.
Im Interview mit dem Fachmagazin DLG erklären die ÖKOTEC-Experten Knut Grabowski und Georg Ratjen, was man unter einer Pinch-Analyse versteht und wie sie diese im aktuellen F+E-Projekt Food Pinch weiterentwickeln.
ÖKOTEC und die RWTH Aachen LTT entwickeln im Forschungs- und Entwicklungsprojekt Food Pinch Lösungen, um Wärmequellen und -senken in der Lebensmittelindustrie intelligent miteinander zu verbinden.