Die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) gehört für viele Unternehmen mittlerweile zum festen Bestandteil der Unternehmensaktivitäten. Während einige Unternehmen bei der Erfassung und Reduktion ihrer direkten und indirekten Emissionen (Scope 1 und Scope 2) bereits Fortschritte erzielen, stellt der Bereich der Scope 3-Emissionen für viele Unternehmen noch eine Herausforderung dar.
Unsere Expertin Sabire Seyma Evli gibt Ihnen einen Überblick ins Thema und teilt Hinweise aus der Beratungspraxis, worauf Sie bei der Erfassung und dem Management von Scope 3-Daten achten sollten.
Was sind Scope 3-Emissionen?
Scope 3-Emissionen umfassen alle indirekten THG-Emissionen, die nicht unter Scope 1 (direkte Emissionen) und Scope 2 (indirekte energiebedingte Emissionen) fallen. Dies sind Emissionen, die entlang der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette eines Unternehmens entstehen. Dazu gehören beispielsweise Emissionen durch eingekaufte Waren, den durchgeführten Transport, die Nutzung und Entsorgung von Produkten und auch Geschäftsreisen und Pendeln der Mitarbeitenden.
Diese Definition folgt dem Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol), dem weltweit anerkannten und öffentlich zugänglichen Standard zur Bilanzierung von THG-Emissionen. Das GHG Protocol bietet für Unternehmen aus allen Sektoren klare Richtlinien, um sie dabei zu unterstützen, ihre gesamten Emissionen systematisch zu erfassen und zu managen. Dazu werden die Emissionsquellen in 15 Scope 3-Kategorien eingeteilt, die Emissionen von eingekauften Waren und Dienstleistungen über Geschäftsreisen bis hin zur Entsorgung verkaufter Produkte umfassen.
Vorteile der Scope 3-Bilanzierung
Scope 3-Emissionen machen in der Regel mehr als 70 Prozent der Gesamtemissionen von Unternehmen aus. Über die Erfassung der Daten und die Bilanzierung der Emissionen können sich verschiedene Vorteile ergeben:
Ganzheitliches Verständnis der Klimawirkung: Durch die Erfassung der Scope 3-Emissionen entsteht ein umfassendes Bild der Klimawirkung der Geschäftstätigkeit. Diese Basis ist essentiell, um wesentliche Handlungsfelder zu identifizieren und Maßnahmen zur Emissionsreduktion einzuleiten.
Compliance und Risikomanagement: Verordnungen und Standards wie die Corporate Sustainability Reporting Directive oder Science Based Targets Initiative unterstreichen die Relevanz von Scope 3-Emissionen. Weiterhin können mit der Betrachtung frühzeitig klimabedingte und finanzielle Risiken erkannt und reduzieren werden.
Wettbewerbsvorteile: Unternehmen, die ihre Scope 3-Emissionen und reduzieren, positionieren sich als Vorreiter im Bereich Klimaschutz. Dadurch wird das Vertrauen der Kunden gestärkt.
Verbesserte Lieferantenbeziehungen und Innovationspotenzial: Eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten kann neben der Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die Effizienz in der Lieferkette steigern undInnovationsprojekte anstoßen – zum Beispiel die Entwicklung klimafreundlicherer Produkte und Prozesse.
Kosteneinsparungen und Zugang zu nachhaltigen Finanzierungen: Durch Emissionsreduktionen können Unternehmen die Betriebskosten reduzieren, zum Beispiel durch eine effizientere Ressourcennutzung. Eine transparente und umfassende Berichterstattung über Fortschritte erhöht zudem die Attraktivität für Investoren, was den Zugang zu günstigen Finanzierungen erleichtert.
Umgang mit Herausforderungen bei der Bilanzierung von Scope 3-Emissionen
Scope 3-Emissionen entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und beziehen sich auf die Zusammenarbeit mit vielen Lieferanten, Kunden, Partnern oder auch Konsumenten. In vielen Branchen sind die Wertschöpfungsketten dadurch stark verflochten und global verteilt. Dies erschwert die Nachverfolgung der Emissionen und erfordert eine tiefgehende Analyse der verschiedenen Prozesse und Lieferkettenstufen. Es kann herausfordernd sein, an präzise Daten zu gelangen. Für eine geeignete Kategorisierung, zum Beispiel der eingekauften Güter, und die Suche nach geeigneten Emissionsfaktoren sollten Sie sich ausreichend Zeit einplanen.
Die Emissionen in Scope 3 können durch Marktveränderungen, Produktinnovationen und veränderte Lieferkettenstrukturen schnell variieren. Beispielsweise können neue Lieferanten, geänderte Produktionsmethoden oder neue Materialien die Emissionsquellen verändern. Unternehmen müssen daher ihre Bilanzierungsmethoden regelmäßig (idealerweise jährlich) aktualisieren, um sicherzustellen, dass die Daten weiterhin akkurat sind und alle relevanten Emissionen abdecken.
Weiterhin erfassen viele Unternehmen auch selbst häufig noch keine Daten zu bestimmten Kategorien, wie zum Beispiel den Pendelverkehr der Beschäftigten oder die Emissionen, die während der Nutzungsphase ihrer verkauften Produkte auftreten. Gerade bei Letzteren kann es sich jedoch um relevante Größen handeln, die das Gesamtergebnis der Bilanz erheblich beeinflussen können.
Um die Herausforderungen der Scope 3-Bilanzierung zu meistern, empfehlen wir Ihnen:
Standards und Methoden nutzen: Die Verwendung von international anerkannten Standards und Protokollen, wie zum Beispiel dem Corporate Value Chain (Scope 3) Standard des GHG Protocol, hilft, Konsistenz und Vergleichbarkeit in Ihrer Bilanzierung zu gewährleisten.
Lieferanten einbeziehen: Eine Sensibilisierung der Lieferanten und enge Zusammenarbeit mit ihnen sind unerlässlich, um primäre Emissionsdaten zu ermitteln und nachhaltige Praktiken zu fördern. Schulungen und regelmäßige Datenerhebungen mit Lieferanten tragen dazu bei, eine nachhaltigere Lieferkette zu gestalten und die Genauigkeit der Bilanzierung zu erhöhen.
Rückgriff auf Sekundärdatenbanken: Wenn Lieferanten keine spezifischen Emissionsfaktoren bereitstellen können, bieten Sekundärdatenbanken eine wertvolle Alternative. Diese Datenbanken enthalten branchenspezifische oder allgemein anerkannte Emissionsfaktoren, die Sie nutzen können, um Lücken in der Datenerhebung zu schließen. Damit stellen Sie sicher, dass Ihre Bilanz auch ohne vollständige Primärdaten aussagekräftig bleibt.
Transparenz & Kommunikation: Kommunizieren Sie die Annahmen und Schätzungen, die der Datenermittlung zugrunde gelegten wurden, sowie die Ergebnisse der Scope 3-Bilanzierung. Dies stärkt das Vertrauen der Stakeholder und kann zu weiteren Verbesserungen entlang der Wertschöpfungskette beitragen.
Schrittweise vorgehen: Konzentrieren Sie sich als Einstieg in die Scope 3-Bilanzierung darauf, die wichtigsten und größten Emissionsquellen zu identifizieren. Diese können Sie mit präzisen Daten ausfüllen, während Sie die übrigen Scope-Kategorien zunächst pragmatisch mit Schätzwerten und Annahmen vervollständigen. Mögliche Kriterien für die Priorisierung der Emissionskategorien können hierbei die geschätzte Größenordnung bzw. das Volumen der Emissionen, der Grad der Einflussnahme auf die Verursacher bzw. die Möglichkeit der Emissionsminderung, vorgegebene Branchenstandards, die Relevanz und die Interessen der Anspruchsgruppen oder eine Priorisierung nach Kostenanteilen sein, welche sich über das Enterprise Resource Planning (ERP) einfach bewerten lassen. Erweitern und verfeinern Sie die Bilanz dann Schritt für Schritt bzw. mit jeder Aktualisierung.
Erfahrungsgemäß stellt die Datenerhebung für eingekaufte Waren und Dienstleistungen (Scope 3.01), Transporte (Scope 3.04 und 3.09), Abfall (3.05) und Pendeln der Mitarbeitenden (Scope 3.07) die größte Herausforderung für Unternehmen dar. Wenn Sie jedoch die oben genannten Punkte beachten und wissen, welche Daten Sie benötigen und an welche Stelle Sie sich wenden müssen, können Sie diese Hürde nehmen:
Scope
Scope-Bezeichnung
Mögliche Quellen/ Dokumente
Relevante Einheit
3.01
Eingekaufte Güter und Dienstleistungen
Gruppierte Einkaufslisten (z.B. nach Kategorie und dem Pareto-Prinzip); SAP-Auszüge
Eingekaufte Güter in Tonnen (alternativ in Stück oder Ausgaben)
3.04
Vorgelagerter Transport
Einkaufslisten; SAP-Auszüge; Google Maps
Tonnen des eingekauften Guts + zurückgelegte km je Transportmittel
3.05
Abfälle
Umweltmanagementsysteme; Rechnungen vom Abfallentsorger
Tonnen entsorgter Abfall auf Deponie, Recycling, Verbrennung etc.
3.07
Pendeln der Mitarbeitenden
HR; Mitarbeiterumfragen
Zurückgelegte km unter Angabe der Transportmittel, gearbeitete Home Office-Tage
Datenerhebung für eingekaufte Waren und Dienstleistungen, Transporte, Abfall und Pendeln der Mitarbeitenden (Copyright ÖKOTEC Energiemanagement GmbH)
Die Scope 3-Bilanzierung mag auf den ersten Blick anspruchsvoll wirken, doch mit einer strukturierten Herangehensweise können Unternehmen die Herausforderungen effektiv angehen. Durch die gezielte Priorisierung der größten Emissionsquellen, die aktive Einbindung der Lieferanten und die Nutzung von Sekundärdaten legen Sie den Grundstein für eine präzise THG-Bilanz. Gleichzeitig erhalten Sie umfassende Transparenz über Ihre Geschäftspraktiken und fördern eine nachhaltige und widerstandsfähige Wertschöpfungskette.
Mit einem Fußabdruck für Produkte (Product Carbon Footprint, PCF) wird sichtbar, mit wie vielen Treibhausgasemissionen ein Produkt über seinen Lebenszyklus behaftet ist und den daraus resultierende Maßnahmen für den Klimaschutz.
ÖKOTEC veröffentlicht in Kooperation mit GUTcert und der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF) eine aktualisierte Version des Leitfadens „Vom Energie- zum Klimamanagement“.
Bis zum Jahr 2030 verfolgt die CAFEA-Gruppe das Ziel Kaffee möglichst klimaneutral zu produzieren. Um das zu erreichen, werden Treibhausgasemissionen minimiert und das Produktportfolio ökoeffizienter und -effektiver ausgerichtet.
ÖKOTEC hat über 50 Netzwerke in verschiedenen Rollen initiiert und begleitet. Netzwerke bieten Unternehmen vielfältige Vorteile und sind ein wichtiger Baustein im NAPE. Lernen Sie unsere Arbeit kennen und schließen Sie sich uns an.
Die Industrie benötigt innovative Lösungen für eine CO2-neutrale Wirtschaft. Unser erfahrenes Team unterstützt Sie je nach Zielstellung und Bedarf mit Analysen, Methoden und Tools – von der THG-Bilanz bis zur Klimaneutralität.
Unsere Eigenmarke EnEffCo® ist eine der besten am Markt verfügbaren Software für Energieeffizienz-Controlling. Sie wurde mit unserer Energie- und Prozesserfahrung von über 20 Jahren für Ihre Praxis in Industrie und Gewerbe entwickelt.