header

Energiemanagement um Klimathemen erweitern

Synergien von ISO 50001 und Klimazielen nutzen

Integration von Klimathemen ins Energiemanagement

Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftssicherheit von Unternehmen erfordern heutzutage mehr denn je schlanke Prozesse und vorausschauendes Management. Die Erweiterung von bestehenden Energie- und Umweltmanagementsystemen um Klimathemen hilft, das Unternehmen strategisch weiterzuentwickeln und Risiken früh zu erkennen. Im Interview erläutern unser Experte Johannes Höpfner und unsere Expertin Seyma Evli, wie dieser Wandel pragmatisch gelingt und welche Chancen sich daraus ergeben.

Warum sollten Unternehmen ihr bestehendes Energiemanagementsystem um Klimathemen erweitern – und warum gerade jetzt?

Johannes Höpfner: Auch wenn politisch gerade andere Themen im Vordergrund stehen, schreitet die Klimaerwärmung unaufhaltsam voran und wir steuern auf eine nicht umkehrbare Überschreitung des 1,5°C-Ziels [1] zu. Die Verantwortung zu handeln ist jetzt. Positiv ist, dass sich viele Unternehmen bereits Klimaziele gesetzt und erste Schritte unternommen haben. Allerdings ist die Integration des Themas in die Unternehmensstrukturen in der Praxis noch nicht weit vorangeschritten. Für uns ist das der nächste logische Schritt, um mittel- und langfristige Ziele in der gesamten Organisation zu verankern und Maßnahmen wirksam umzusetzen.

Seyma Evli: Unternehmen sind zudem immer häufiger selbst vom Klimawandel betroffen, was Effekte auf das Geschäftsmodell, die Lieferkette und die Verfügbarkeit von Rohstoffen mit sich zieht. Ein integriertes Klimamanagement hilft Unternehmen dabei, Risiken frühzeitig zu erkennen und widerstandsfähiger zu werden.

Die Klimarisikoanalyse ist ein zentraler Baustein. Was bedeutet das konkret für Energiemanager:innen, und wie unterscheidet sich dieser Prozess vom klassischen Risikoansatz in der ISO 50001?

Interview Seyma Evli und Johannes Höpfner
Seyma Evli und Johannes Höpfner, © ÖKOTEC

Seyma Evli: Die Klimarisikoanalyse bedeutet, dass Unternehmen systematisch untersuchen, welche physischen und transitorischen Risiken durch den Klimawandel entstehen und wie sie die eigene Wertschöpfung beeinflussen. Für das Energiemanagement heißt das also konkret, nicht nur operative Risiken wie Versorgungsengpässe oder Energiepreise zu betrachten, sondern auch etwa die Auswirkungen von Extremwetter auf Kraftwerke oder Transportwege sowie regulatorische Veränderungen bei CO₂-intensiven Energieträgern.

Im Unterschied zur ISO 50001, die sich auf Energieeffizienz konzentriert, betrachtet die Klimarisikoanalyse das gesamte Geschäftsmodell – inklusive Lieferkette, Standortabhängigkeiten und Stakeholder-Erwartungen – und erfordert eine langfristige strategische Perspektive über 10, 20 oder mehr Jahre.

In Ihrem Seminar geht es auch um Beteiligung und Befähigung – wie kann man Mitarbeitende und Führungskräfte für das Thema Klima aktivieren und mitnehmen?

Johannes Höpfner: Gerade zu Beginn der Erweiterung des Managementsystems ist mit Vorbehalten und Skepsis aus der Belegschaft zu rechnen. Kommentare wie „Das hat doch eh keinen Sinn, was wir hier machen“ oder „Noch mehr Daten, die wir sammeln und aufbereiten müssen“ sind vorprogrammiert. Es ist wichtig, von Beginn an die Belegschaft mitzunehmen und zu informieren und deren Ängste und Vorbehalte ernst zu nehmen.

Seyma Evli: Damit Klimamanagement in der Organisation wirksam wird, braucht es Klarheit, Haltung und Verantwortung auf allen Ebenen. Menschen engagieren sich, wenn sie verstehen, warum es wichtig ist – für das Unternehmen, für die Gesellschaft und für sie persönlich. Hier spielen Führungskräfte eine besondere Schlüsselrolle: Sie können Impulse setzen, die Menschen bzw. das ganze Unternehmen bewegen können.

Johannes Höpfner: Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Workshops gemacht, die verschiedene Akteursgruppen im Unternehmen beteiligen, und dass wir komplexe Themen wie Klimaschutz und Dekarbonisierung in praxisbezogene Aufgabenpakete heruntergebrochen haben. Dadurch werden „große“ Themen greifbarer und Mitarbeitende können sich mit ihrer Perspektive einbringen.

Daten spielen eine wichtige Rolle für Energie- und Klimaziele und um den Fortschritt messen zu können. Wo liegen die Herausforderungen bei der Integration von Klimadaten und was sind Ihre Tipps, damit es nicht zu komplex wird?

Johannes Höpfner: Zunächst sollte der Fokus auf den eigenen Emissionen liegen, also Scope 1 und 2. Hierfür können Daten aus dem Energiemanagement und dem Warenwirtschaftssystem genutzt werden. Bei Scope 3 Emissionen ist eine Wesentlichkeitsanalyse sinnvoll, um die Datenerhebung auf die relevanten Bereiche zu konzentrieren.
Für CO2-Bilanzen von Produkten empfehlen wir, bestehende Datenbanken zu erweitern und zusätzliche Messstellen einzurichten, um Verbräuche gezielt zuordnen zu können. Unternehmen sollten bei der Erweiterung des Managementsystems stärker auf die Vorteile der Digitalisierung setzen, um das Datenmanagement zu professionalisieren und erleichtern.

Seyma Evli: Künstliche Intelligenz wird Unternehmen zusätzliche Optionen bieten und Managementsysteme schlanker und smarter machen. Aber der Schlüssel ist die Datenqualität – ohne gute Daten gibt es auch kein gutes KI-Modell. Deshalb müssen erst die Grundlagen dafür geschaffen werden. Zudem ist Künstliche Intelligenz kein Ersatz für strategische Verantwortung. Sie unterstützt zwar, doch Entscheidungen müssen weiterhin von Menschen getroffen werden.

Seyma Evli und Johannes Höpfner, © ÖKOTEC

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Schritte für Unternehmen, die den Weg vom Energiemanagement zum integrierten Klima- und Energiemanagementsystem gehen möchten?

Seyma Evli: Der wichtigste erste Schritt ist anzufangen! Unternehmen sollten ihre CO2-Daten, Prozesse und Klimarisiken zusammentragen und sich fragen: Wo stehen wir und wo wollen wir hin? Auch von den mittel- und langfristigen Unternehmenszielen, die es zu erreichen gilt. Darauf aufbauend lassen sich Strukturen anpassen und Prioritäten setzen. Wichtig ist, sich nicht von den Herausforderungen überwältigen zu lassen und auf die perfekte Lösung zu warten, sondern mit dem zu starten, was da ist. Alles Weitere entwickelt sich Schritt für Schritt.

Johannes Höpfner: Aus meiner Erfahrung steht und fällt der Erfolg mit dem Engagement der Unternehmensleitung und guter interner Kommunikation. Eine regelmäßige Abstimmung zwischen Top-Management und Klimamanagementteam sowie relevanten Fachbereichen muss gewährleistet sein. Wenn sich die Verantwortlichen regelmäßig Zeit nehmen, um das Managementsystem aus der Vogelperspektive zu betrachten und darauf basierend gezielt weiterzuentwickeln, gehen die Aufgaben nicht im Tagesgeschäft unter.

Das Gespräch führte Mareike Hoffmann

Im eintägigen Seminar der GUTcert Akademie erfahren Sie, wie Sie Ihr bestehendes Managementsystem zu einem Klimamanagementsystem erweitern können. Hinweise und Beispiele aus der Praxis und der moderierte Erfahrungsaustausch zwischen den teilnehmenden Personen runden das Programm ab.

[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/internationale-klimapolitik/uebereinkommen-von-paris/das-15-grad-ziel-nach-dem-uebereinkommen-von-paris#haben-wir-die-15-grad-marke-schon-uberschritten

Sind Sie neugierig geworden? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Mehr zu EnEffCo® – Energieeffizienz-Controlling

Bild: Philip Steury Photography/Shutterstock.com